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Geschichtliches zu Low Carb

Low Carb ist keine Errungenschaft der letzten Jahrzehnte, aber seit Atkins sprichwörtlich in aller Munde. Der amerikanische Arzt gilt zwar gemeinhin als der Begründer der Low Carb Welle, er hat sie jedoch lediglich populär gemacht.

Im Folgenden werden einige Pioniere der Low Carb Entwicklung kurz vorgestellt:

 

„Werdet hässlich, dick und asthmatisch und sterbt in Eurem eigenen Fett.“ „

Schon rund 150 Jahre vor Atkins plädiert Jean Anthelme Brillat-Savarin mit sehr eindringlichen Worten für eine kohlenhydratarme Ernährung.  1755 in Frankreich geboren, emigriert Brillat-Savarin während der Französischen Revolution in die Schweiz und später nach England und in die USA. 1796 kehrt er nach Europa zurück und wird Richter in Paris. Seine wahren Leidenschaften jedoch sind Gaumenfreude  und Kochkunst und so verfasst er im Laufe seines Lebens mehrere Werke zu diesen Themen. Sein wohl bekanntestes Buch „La Physiologie du Goût“ (deutsch: „Die Physiologie des Geschmacks“) wiird 1826, im Jahr seines Todes, veröffentlicht und stellt eigentlich eine eher philosophische Betrachtung der Kochkunst und ihrer  Auswirkungen auf alle Lebensbereiche dar. Unter anderem vertritt er darin auch die These, dass Kohlenhydrate dick und krank machen und rät seinen Lesern, auf Brot, Kuchen, Kartoffeln und Nudeln zu verzichten. Für diejenigen, die sich damit nicht anfreunden können, findet er vernichtende Worte: „Gut, dann esst! Werdet fett! Werdet hässlich, dick und asthmatisch und sterbt in Eurem eigenen Fett.“

„Wenn Fett nicht ein heimtückischer, kriechender Feind ist, wer ist es dann?“

Die erste kommerzielle und in Buchform erschienene Low-Carb Diät aber veröffentlicht 1864 der Londoner Bestattungsunternehmer William Banting. Er leidet sehr unter seinem Übergewicht und unternimmt alles Erdenkliche um „den Teufel“, wie er selbst seine Fettleibigkeit nennt, loszuwerden, aber der Teufel wird unaufhörlich größer. „Wenn Fett nicht ein heimtückischer, kriechender Feind ist,“ schreibt er „wer ist es dann?“ Und obwohl er sich selber als nicht unbedingt zart besaitet beschreibt, deprimieren ihn die spöttischen Blicke und die anzüglichen  Bemerkungen in der Öffentlichkeit so sehr, dass er beginnt, diese zu meiden.

1862 schließlich ist Banting trotz all seiner Bemühungen, Gewicht zu verlieren so dick, dass er nicht mehr in der Lage ist, seine Schuhe selbst zuzubinden. Treppen musse er, wenn er sie unter größter Anstrengung und Schmerzen nach oben bewältigt hat, rückwärts wieder runter steigen, um seine ohnehin schon stark geschädigten Knie zu schonen; er leidet unter einem Nabelbruch und unter einem immer schwächer werdenden Seh- und Hörvermögen.

In dieser verzweifelten Lage trifft William Banting durch einen Zufall auf den Londoner Ohrenarzt und Chirurg William Harvey, den eigentlichen Helden dieser Geschichte. Der hat sich bereits in der Theorie  mit den Auswirkungen von Zucker und Stärke auf den menschlichen Organismus beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Kombination aus tierischen Lebensmitteln und Gemüse mit einem niedrigen Gehalt an Kohlenhydraten bestens geeignet sei, Fettleibigkeit entgegenzuwirken. „Sie sind zu dick“ lässt er Banting wissen, „und das Fett blockiert Ihren Gehörgang. Sie müssen abnehmen.“ Und dann zählt er Banting auf, worauf er in Zukunft verzichten müsse: Brot, Butter, Milch, Zucker, Bier und Kartoffeln. Banting protestiert; genau dies seien seine Haupt-Nahrungsmittel seit vielen Jahren. Trotzdem folgt er dem Rat des Arztes, ernährt sich hauptsächlich von magerem Fleisch und Gemüse, meidet Milch, Zucker und Bier und verliert in einem Jahr mehr als 20 Kilogramm. Der Bauch verschwindet und sowohl sein Seh- als auch sein Hörvermögen kehren zurück.

Um seine Umwelt an seinem Glück teilhaben zu lassen, veröffentlicht er 1864 eine kurze Abhandlung mit dem Titel „Letter On Corpulence“ (deutsch: „Offener Brief über Korpulenz“), in der er seine Diät und deren Erfolge beschreibt. Das kleine Buch wird ein Bestseller und erreichte in sechs Auflagen ca. 60.000 Exemplare, die sich über die Grenzen Europas auch in den USA verkaufen. Da er es nicht für angebracht hält, aus dem Leid seiner Mitmenschen Kapital zu schlagen, spendet Banting die Erlöse aus dem Verkauf des Buches an wohltätige Organisationen.

So sehr er mit seinen Aufzeichnungen das Publikum begeistert, so sehr bringt er die medizinischen Fachkreise gegen sich auf. Es wird spekuliert, dass die Diät gefährlich sei und einige Zeit hält sich sogar das Gerücht, dass Banting an den Folgen seiner Diät gestorben sei.

„Die Gerichte sollen fett sein, auf diese Weise wird man am Leichtesten sich sättigen.“

 

Zu den Kritikern der sogenannten „Bantingkur“ zählt auch der deutsche Arzt und Wissenschaftler Dr. Wilhelm Ebstein.

1836 in Schlesien geboren, studiert er in Breslau und Berlin Medizin und nimmt im Jahr 1874 eine Professur für Innere Medizin in Göttingen an. Sein Forschungs-schwerpunkt sind die Stoffwechselerkrankungen, für die er zu Lebzeiten weltweit als einer der bedeutendsten Spezialisten gilt. Im Laufe seiner Tätigkeit veröffentlicht Dr. Ebstein insgesamt 237 wissenschaftliche Artikel, darunter im Jahr 1887 „Die Fettleibigkeit (Corpulenz) und ihre Behandlung nach physiologischen Grundsätzen“, in der er sich auch mit der Banting’schen Methode – wie er sie nannte – beschäftigt.

Seiner Überzeugung nach handelt es sich dabei um eine „Entziehungskur“, die zwangsläufig zu einer Entkräftung führen muss und daher nur vorübergehend angewandt werden kann. Sein erstes Prinzip sei aber, so schreibt er, „dass dieses Resultat [dass der Fettleibige sein überschüssiges Fett los wird] nicht in einigen Wochen oder ein paar Monaten erzielt werden darf, und zweitens muss das Regimen derartig eingerichtet werden, dass es sich der Kranke für seine ganze weitere Lebenszeit zu eigen machen und beibehalten kann“. Auch seine Methode basiert darauf, die Kohlenhydrate zu beschränken: Zucker, Süßigkeiten aller Art und Kartoffeln in jeder Form verbietet er kategorisch; die Menge an Brot, die täglich verzehrt werden darf, wird auf 80 bis 100 Gramm begrenzt, dafür stehen Spargel, Spinat, verschiedene Kohlsorten und insbesondere Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan.  Im Gegensatz zu William Banting hält Dr. Ebstein es mit Hippokrates: „Die Gerichte sollen fett sein, auf diese Weise wird man am Leichtesten sich sättigen.“ Mit mehr guten Fetten in der Nahrung – so argumentiert er – machen sich zum einen keine Hungergefühle bemerkbar, und findet zum anderen keine Abnahme der Leistungsfähigkeit statt.

No-Carb statt Low-Carb

Diese Erfahrung macht auch der kanadische Polarforscher Vilhjálmur Stefánsson.

1879 als Sohn isländischer Auswanderer geboren, fühlt er sich seinen Wurzeln derart tief verbunden, dass er seinen Taufnamen William in die isländische Form Vilhjálmur ändert. Obwohl er nur eine geringe Schulbildung besitzt, eignet er sich im Laufe seiner Kindheit und Jugend autodidaktisch ein breites Wissen an und studiert später an der Universität von Iowa und an der Harvard Universität, wo er nach seinem Studium für einige Jahre eine Stelle als Assistenzlehrer in Anthropologie annimmt. Im Alter von 27 Jahren kehrt er der Lehrtätigkeit den Rücken und bricht in die Arktis auf.

Schon während seiner ersten Expedition ist er gezwungen, bei den Eskimos zu überwintern und sich dadurch auch mit deren Ernährungsgewohnheiten anfreunden zu müssen. Anfänglich eine Überwindung für ihn, der keinen Fisch mag, denn diese Eskimos ernährten sich ausschließlich von Fisch. Aber schon nach wenigen Monaten hat er sich daran gewöhnt, sogar rohen und verfaulten Fisch zu essen und zudem auch noch zu mögen. Während seiner weiteren, ausgedehnten Reisen in die Arktis ernährt er sich über Jahre nur vom Fleisch der Eisbären, Robben und Rentiere und von Fisch – also vollkommen ohne Kohlenhydrate -  ohne dabei irgendwelche Mangelerscheinungen oder Anzeichen von Krankheiten zu zeigen.

Zu dieser Zeit jedoch ist die vorherrschende Überzeugung, dass viel Gemüse und Obst und wenig Fleisch gleichbedeutend sei mit gesunder Ernährung. Der Verzehr von viel Fleisch dagegen – so glaubt man – führe zu Rheumatismus, hohem Blutdruck und einer Überlastung der Nieren.

Auf sein eigenes Bestreben hin, lässt sich Vilhjálmur Stefánsson 1926 ärztlich untersuchen, mit dem Ergebnis, dass er unter keiner der geschilderten Erkrankungen leidet. Um auch noch die letzten Skeptiker zu überzeugen, unterzieht er sich gemeinsam mit seinem Expeditionskollegen Karsten Anderson in New York einem für die Fachwelt aufsehenerregenden Experiment: Beide essen ein Jahr lang ausschließlich Fleisch und Fisch. Das Ergebnis  wird 1930 im Journal der American Medical Association veröffentlicht: Stefánsson und Anderson sind beide am Ende  des Experiments vollkommen gesund!

Kohlenhydrate und Zivilisationserkrankungen

Der gesundheitliche Aspekt einer kohlenhydratarmen Ernährung steht auch für Dr. Wolfgang Lutz im Vordergrund. Der 1913 in Österreich geborene Sohn eines Mediziners schlägt nach dem Vorbild des Vaters ebenfalls die medizinische Laufbahn ein, studiert in Innsbruck und Wien, wo er bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Krankenhaus praktiziert. Nach dem Krieg lässt er sich als Internist in Salzburg nieder und widmet seine besondere Aufmerksamkeit der Ernährungsmedizin. Beunruhigt durch den massiven Anstieg sogenannter Zivilisationskrankheiten vertritt er die These, dass der Mensch an die Ernährung mit Kohlenhydraten nicht ausreichend genetisch angepasst sei und empfiehlt ebenfalls eine kohlenhydratarme Ernährung.  1967 erscheint sein erstes Buch mit dem Titel „Leben ohne Brot“, in dem er von einem jahrelangen Selbstversuch berichtet, mit dem er durch den weitestgehenden Verzicht auf Kohlenhydrate zahlreiche gesundheitliche Einschränkungen und Beschwerden  geheilt bzw. zum Stillstand gebracht habe. Während seiner 40jährigen Praxiszeit will er mit seiner Diät mehr als 10.000 Patienten behandelt und zahlreiche chronische Erkrankungen auf diesem Wege geheilt haben. Lutz erhält für sein Werk zahlreiche Auszeichnungen und eine Ehrenprofessur der Metropolitan University of Dublin. Sein Wunsch, mit seinen Thesen und Behandlungsmethoden eine wissenschaftliche Diskussion und einen Austausch über die Rolle der Kohlenhydrate in Gang zu setzen, erfüllt sich jedoch nicht.

Von der Wissenschaft zur Diät-Revolution

Einzig der Amerikaner Robert Coleman Atkins profitiert in mehrfacher Hinsicht von der Verbreitung dieser Erkenntnisse.

Atkins wird 1930 in Ohio geboren und beendet bereits im Alter von 21 Jahren sein Medizinstudium an der University of Michigan. Er spezialisiert sich auf Kardiologie und untersuchte unter anderem die Wirkung pflanzlicher Heilmittel auf verschiedene Erkrankungen.

Da er selbst stark übergewichtig war, sucht er nach einer Möglichkeit abzunehmen, ohne dabei zu hungern und komplett auf Genuss zu verzichten. Bei seinem Studium wissenschaftlicher Literatur stößt er auch auf einen Artikel im „Journal of the American Medical Association“, in dem der amerikanische Arzt Alfred W. Pennigton sich mit der Banting-Diät auseinandersetzt. Atkins unternimmt einen Selbstversuch und hat damit innerhalb kürzester Zeit Erfolg. Auf der Basis dieser Erfahrung entwickelt er seine Atkins-Diät, die er selbst als Diät-Revolution beschreibt. 1972 erscheint diese erstmals in Buchform und verkauft sich rund 15 Millionen Mal. Atkins verdient damit Millionen und investiert einen Teil seines Gewinns in die Kohlenhydrat-Forschung. Er gründet einen Lebensmittelkonzern, der kohlenhydratarme Nahrungsmittel produziert und verfasst als Autor oder Co-Autor im Laufe seines Lebens 35 weitere Bücher.

Jahrzehnte gilt die Atkins-Diät weltweit als eine der erfolgreichsten Methoden zur Gewichtsabnahme. Das Prinzip, durch den Verzicht auf kohlenhydrathaltige Lebensmittel den Blutzuckerspiegel gleichbleibend und die Insulinausschüttung niedrig zu halten, wurde von Vielen aufgegriffen und modifiziert. So hat sich mittlerweile aus der kurzfristigen Diät eine langfristige Ernährungsform entwickelt – so wie Dr. Ebstein es bereits 1887 gefordert hatte.